Záviš Kalandra
Äußerst interessante Erscheinung der tschechischen Geschichtsschreibung mit sehr originellem Werk, der aufgrund seiner Unnachgiebigkeit im Prozess gegen Dr. Milada Horáková zum Tode verurteilt wurde.
Er wurde in der Familie des Mediziners Břetislav Kalandra in Frenštát geboren. Er besuchte das Gymnasium und studierte danach klassische Philologie und Philosophie an der Fakultät für Philosophie der Prager Karlsuniversität. Kalandra interessierte sich lebhaft fürs öffentliche Geschehen und war auch als Hobbyjournalist tätig, eine Tätigkeit, die sehr bald zu seinem Beruf wurde. Im Jahr 1923 trat der linksorientierte Kalandra der kommunistischen Partei bei. Er war ein bedeutender Redakteur der Parteipresse und wurde bald Chefredakteur des wichtigsten Parteiperiodikums "Rudé právo". In den 30. Jahren kam es jedoch zu den ersten ideologischen Konflikten mit der offiziellen Parteilinie, als Kalandra die Bemühungen Gottwalds um Einheitlichkeit der Meinungen innerhalb der Partei ablehnte. Kalandras Kritik kulminierte nach Beginn der stalinistischen Säuberungen und der Prozesse in der UdSSR in den Jahren 1935 - 1937. Die vernichtende Kritik an diesen Prozessen und der Einfluss, den Kalandra in seiner Position als Chefredakteur hatte, führten schließlich dazu, dass er aller öffentlicher Funktionen enthoben und zum Schluss auch aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen wurde. Zu der Zeit wurde er auch erstmals des Trotzkismus bezichtigt.
Kalandra engagierte sich danach sehr stark und bemühte sich, auf die Gefahr der Nazis aufmerksam zu machen, vorübergehend bildete er sogar eine alternative Fraktion der kommunistischen Partei. Aufgrund dieser Tätigkeit und seiner kommunistischen Vergangenheit wurde er nach Gründung des Protektorats von der Gestapo verhaftet (1939), wenn auch die Gestapo nichts von seiner eigentlichen illegalen Tätigkeit wusste - der Organisation von Fluchtwegen überwiegend für Juden über die Grenze nach Polen.
Im Verlauf des Krieges durchlief Kalandra mehrere Lager, insbesondere die Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen. Nach den Leiden des Krieges widmete er sich vor allem seiner wissenschaftlichen Tätigkeit und
engagierte sich politisch nur sehr eingeschränkt, schrieb jedoch auch Beiträge für die Periodika der Nationalen Sozialistischen Partei. Mit der kommunistischen Partei hatte er endgültig gebrochen und warnte vor der Gefahr, die von ihr ausging.
Nach dem Februarumsturz von 1948 geriet er im Zuge der präventiven Suche nach Opfern für den geplanten großen Prozess, mit dem mögliche Regimegegner abgeschreckt werden sollten, ins Visier der kommunistischen Geheimpolizei StB. Er wurde als wacher Geist und Mann von Einfluss, sowie als "Verräter" der Partei ausgewählt.
Nach seiner Verhaftung wurde er einer Reihe von scharfen Verhören und Schulungen unterzogen, in denen er lernen sollte, wie er sich im Prozess zu verhalten und auszusagen habe. Bei dem vom Prokurator Urválek im Juni 1950 geführten Monsterprozess bewies Kalandra großen Mut und lehnte es in einer ganzen Reihe von Punkten ab, sich an das vorgeschriebene Drehbuch zu halten, was er mit Ironie und Sarkasmus tat. Er kannte die Methode dieser "stalinistischen" Prozesse sehr genau und gab so als einer der wenigen Angeklagten zu erkennen, dass er sich des ihm bevorstehenden Todesurteils bewusst war. Er wusste, dass ihm seine Parteikollegen seinen "Verrat an der Partei" nicht verzeihen würden. Am 27.6. 1950 wurde er zusammen mit Dr. Milada Horáková, Jan Buchal und seinem Freund aus der Zeit des Gymnasiums, Otakar Pecl, zun Tod durch den Strang verurteilt. Das Gnadengesuch, das seine Frau eingereicht hatte, wurde von Gottwald einfach ignoriert.
Kalandra war ein überaus fundierter Mann, dessen Kenntnisse den Umfang seines Universitätsstudiums erheblich überschritten. Er war auch einer der ersten tschechischen Historiker, der bei seiner Forschung zur tschechischen Mythologie oder auch bei der Überprüfung des Wahrheitsgehalts der sog. Kristián-Legende, einem heiß diskutierten Thema der 30. Jahre, Erkenntnisse aus der Anthropologie und der Religionswissenschaften nutzte. Sein Werk zeugt außerdem von seinem Interesse am Surrealismus, an der klassischen deutschen Philosophie oder auch an der Psychoanalyse.
Er war ein persönlicher Freund von Milena Jesenská, Albert Camuse und André Breton.