Die Legende von Dr. Faustus und seinem Kollegium
Die Legende von Dr. Faustus entstand durch Verbindung der Taten mehrerer Bewohner jenes berühmten Gebäudes in der Prager Neustadt, das als Palais des mächtigen Přemysliden-Zweiges der Troppauer Herzöge begann, die ihre Herkunft in die Zeit des Herzogs Nikolaus von Troppau zurückdatieren, dem Halbbruder von Ottokar II. Přemysl, der den böhmischen Helden Zawisch von Falkenstein hinrichten ließ.
Nach und nach wurde aus dem Fürstenpalais und Juristenhaus ein Sitz für Ärzte, und von da aus war es nur ein kleiner Schritt, bis die Alchemie, d.h. die okkulte Wissenschaft, hier Einzug hielt. Bereits einer der Sprösslinge des Geschlechts der Troppauer, Wenzel, beschäftigte sich im 14. Jahrhundert mit Naturwissenschaften, die Zeit der großen "Magier" sollte jedoch noch kommen. Eine Blütezeit und zugleich ein wahrere Nährboden für die Legendenbildung war die Ära Rudolf II. Zunächst war das Haus Eigentum des wunderlichen Sterndeuters Jakub Krucínka, der es jedoch nicht mit seinen Astralprojektionen berühmt machte, sondern indirekt durch einen Mord zeichnete. Seine Söhne waren einander in innigem brüderlichen Hass zugetan, und als der Vater auf dem Sterbebett lag, ermordete der jüngere Bruder den älteren auf brutale Weise, um sich das Familienerbe anzueignen. Er wurde jedoch gefasst, gefoltert und auf dem Pferdemarkt durch Erhängen hingerichtet.
Die Reihe der Morde in diesem Haus ist damit jedoch nicht zu Ende. Ein weiterer Bewohner des Hauses war zugleich einer der berühmtesten: Edward Talbot, genannt Magister Kelley. Ein englischer Magier und vielfach talentierter, hochgebildeter und vollkommen skrupelloser Mann, dem das Blut Unschuldiger
nichts Fremdes war. Gemeinsam mit seinem Lehrer John Dee gelangte er im goldenen Zeitalter der Alchimisten bis an den Hof Rudolfs II., der Kelley in Amt und Würden setzte. Als Kelley jedoch im Streit seinen Rivalen, den Alchimisten Georg Hunter, tötete, fiel er beim Kaiser in Ungnade und wurde auf der Burg Křivoklát eingekerkert. Er machte einen erfolglosen Fluchtversuch und starb schließlich einsam im Gefängnis.
Die zwei weiteren Eigentümer vollendeten und besiegelten dann die Faust-Legende. Ferdinand Antonín Mladota war als Chemiker und Physiker eine Art gereifter Nachfolger Kelleys. Seine nächtlichen Versuche, bei denen er selbstverständlich auch mit Feuer arbeitete, führten zur Legende vom Pakt der Bewohner dieses Hauses mit satanischen Mächten. Der Sohn dieses Amateurchemikers, Josef Peter, fügte noch das Studium der Mechanik und der elektrischen Entladungen hinzu. Das Haus wurde zu einem sonderbaren Ort, angefüllt mit noch sonderbareren Gegenständen. Josef konstruierte bewegliche Figuren und Treppen, plötzlich sich öffnende Türen, Lichter sowie Türklinken, die unter Strom standen.
Aus den Gerüchten um diese drei Bewohner entstand dann die Legende von Dr. Faust, der so sehr nach Erkenntnis dürstet, dass er auch vor einem Pakt mit dem Teufel nicht zurückschreckt und mit dessen Hilfe in seinem Haus viele merkwürdige Dinge schafft, bis seine Zeit gekommen ist und er eines Nachts vom Teufel direkt durch die Decke des Hauses in die Hölle entführt wird. Die Faustlegende gehört zu den bekanntesten mitteleuropäischen Legenden. Als eine Art Epilog zog später eine Apotheke in dieses Haus ein, die noch heute ihrem Zweck dient.