Wenzel I.
Wenzel war der älteste Sohn des ersten Erbkönigs, Ottokars I. Přemysl. Seinem Vater war es mit der Goldenen Sizilianischen Bulle (1212) gelungen, den Titel des Erbkönigs für das Přemyslidengeschlecht zu erlangen, und so wurde Wenzel als erster Přemyslide von Kind an für den Königstitel erzogen. Wenzel war ein sonderbares Kind - er litt an Neurosen und schweren psychischen Zuständen, wechselweise liebte er wilde Feste, um dann wieder im Wald die Einsamkeit zu suchen. Es war bekannt, dass er den Klang von Glocken nicht ertrug. Da dieser bei ihm Anfälle ähnlich wie bei Epilepsie hervorrief, durften in seiner Gegenwart keine Glocken ertönen. Er war gleichfalls ein großer Jäger und verlor bei der Jagd auch ein Auge.
Nach dem Tod seines Vaters bestieg er im Jahr 1230 den Thron und geriet sogleich in Streit mit seinem etwas unverträglichem Nachbarn Friedrich II. von Österreich (der Streitbare). Ihr Streit zog sich mit einigen Unterbrechungen bis ins Jahr 1246, als sich Wenzel und Friedrich versöhnten und Friedrichs Nichte Gertrude Wenzels ältestem Sohn versprochen wurde.
Wenzel geriet in den frühen Jahren seiner Herrschaft gleichfalls in Streit mit seinem Bruder Přemysl, dem mährischen Markgrafen, der sich unzufrieden mit der Aufteilung "seines" Herrschaftsbereiches zeigte. Beide Aufstände
(1233 und 1237) konnte Wenzel niederschlagen, und schließlich versöhnten sich die beiden Brüder.
Als großer Ritter der Christenheit kämpfte Wenzel gegen die große Gefahr, die Europa im Jahr 1240 durch den Einfall der Tataren (Mongolen) drohte. Wenzels Ansehen wuchs im Laufe dieser Verteidigungsfeldzüge immens, obgleich er gegen die phänomenalen Tataren keinen glorreichen Sieg erkämpfte und Europa vor allem durch einen Zufall (den Tod des Großkhans im fernen Karakorum) gerettet wurde.
Gegen Ende seiner Regentschaft drang Wenzel durch Heiratspolitik bis nach Österreich vor und blieb dort trotz der gefährlichen innerböhmischen Spannungen mit seinem Sohn Přemysl und dem widerspenstigen böhmischen Adel, der unzufrieden war mit Wenzels Passivität und seiner Vernachlässigung der königlichen Pflichten. Nachdem er den Aufstand des Sohnes unterdrückt und diesen kurzfristig interniert hatte, wandte er sich wieder der Außenpolitik zu. Im Einklang mit dem Sohn übernahm er für die Přemysliden mit Erfolg die Kontrolle über ganz Österreich. Wenzel starb im Jahr 1253. Seine Regierungszeit war eine Zeit des Rittertums, der Turniere und des Beginns des Hochfeudalismus, zeichnete sich aber gleichfalls auch durch die umfangreiche Gründung von Städten aus (Prager Altstadt, Iglau, Eger, Brünn).