Einmal verliebte sich die Tochter eines böhmischen Herren in einen armen Ritter. Ihr Vater war darüber so erzürnt, dass er seine Tochter als Nonne ins Kloster der Hl. Agnes in der Altstadt steckte. Die Liebenden fürchteten jedoch weder den Zorn des Vaters noch die Klostermauern und nutzten die Stille des Klostergartens und der Nacht für ihre Zusammenkünfte. Einmal beschlossen sie, zusammen zu fliehen. Die Tochter war jedoch nicht sehr beliebt im Kloster, da sie ihren Stand schwer trug und so keinen Weg zu ihren Klostergefährtinnen fand.
So geschah, was geschehen musste, und eine Nonne fand den Grund für ihre nächtlichen Ausflüge heraus. Sie zögerte nicht und teilte dies dem Vater der Tochter mit. Dieser zürnte und sann auf grausame Rache. In der Nacht der
geplanten Flucht lauerte der wütende Vater mit gezücktem Schwert im Klostergarten. Als sich die Liebenden fanden, stach der Vater seine Tochter im zornigen Affekt in die Brust, so dass sie lautlos zu Boden fiel. Der Vater stürzte sich danach auf den verblüfften Liebhaber, den er schwer verletzte, jedoch nicht tötete. Schließlich sprach er einen Fluch über die Tochter aus, die keinen Frieden mehr finden sollte, solange das Kloster der Hl. Agnes stehe.
Seit jener Zeit wandelt die Tochter durch die Klostergänge und wartet seufzend auf ihre Erlösung. Gekleidet in einem grauen Nonnengewand, das auf der Brust Merkmale des Schwertstiches trägt. Sie wandelt durch das Kloster, tut jedoch im Unterschied zu anderen hier hausenden Geistern niemandem etwas zu Leide.